Extrem-Makrofotografie / Teil 2

von | Freitag, 11. Februar 2022 | Foto-Talk | 0 Kommentare

Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv. Ich widme diesen Beitrag meinen Eltern, denen ich ein wunderbares Sony Teleobjektiv 70/300 verdanke und in memoriam meinen Großeltern, deren aus den 80ern stammendes Objektiv Zeiss Pancolar 1.8/50 immer noch exzellente Dienste tut. Beide Objektive haben in diesem Beitrag als Tandem gemeinsam Anwendung gefunden.

Vergrößerung fast 10 : 1

Ein Abbildungsmaßstab 10:1 ist der Übergang zur Mikrofotografie, die sicherlich eine Domäne der Mikroskope und der Kameras mit Lupen- bzw. Mikroskop-Objektiven und automatischen Makroschlitten in Laboren und Büros. Auf diese Weise entstehen fantastische Aufnahmen aus der Mikrowelt. Mikroskope und automatisierte System, die gegen Wind und Schwingungen anfällig sind und u.U. Stunden für ein Foto benötigen, in die Landschaft zu bringen dürfte dagegen schwieriger sein. Die Landschaft ist die Domäne der Kameras.

Objekte mit einer Größe 4 bis 40 mm kann man ganz gut mit der Standard-Makrofotografie (Abbildungsmaßstab bis 1 :1) fotografieren. Aber was, wenn das Motiv deutlich kleiner ist und der Einsatz von Zwischenringen oder Nahlinsen (bis ca. 3 : 1) auch nicht ausreicht. Kann man noch mehr Vergrößerung erreichen? Ja, man kann. Eine Methode ist der Einsatz von „verkehrt herum“ (retro) montierten Objektiven. Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv. Ein sehr schönes Beispiel ist die Fotografie von Mikrokrebsen auf der Wasseroberfläche.

Prinzipiell lassen sich die höchsten Vergrößerungen erzielen, indem man ein Objektiv mit großer Brennweite mit einem lichtstarken Retroobjektiv kombiniert. Der Vergrößerungsfaktor soll dann etwa das Verhältnis der Brennweiten sein. Im Fall meiner o.g. Objektive wäre da etwa zu erwarten: 300mm/50mm= 6 : 1
Tatsächlich wurde es mehr, nämlich 9,34 : 1 !
Eine fast 10-fache Vergrößerung kann zwar den Mikroskopen keine Konkurrenz machen, aber für den mobilen Einsatz in der Landschaft ist es eine beachtliche Vergrößerung, denn normale Makroobjektive liefern bis etwa 1:1, mit Zwischenringen bis etwa 3:1 und Spurmakroobjektive bis etwa 5:1. Fast 10:1 ist das Doppelte davon und das ist viel.

Allerdings geht mit der hohen Vergrößerung auch ein Problem einher, das man auch von den Mikroskopen kennt, die sehr geringe Schärfentiefe, die im Mikrometerbereich liegt. Es lassen sich also keine runden Stecknadelköpfe fotografieren, sondern nur „platte“ und die Objektivachse muss exakt senkrecht zur Objektebene ausgerichtet sein. Stativ, Makroschlitten und Fernauslöser sind unverzichtbares Zubehör. Minimaler Wind oder minimale Erschütterungen des Untergrundes machen das Unternehmen zunichte. Und die Beleuchtung ist bei dem geringen Arbeitsabstand zwischen Objekt und Objektiv ein extra Problem.

Ungeachtet dessen soll hier die Frage beantwortet werden, was geht und wie geht es. Dementsprechend machen wir es uns zunächst „einfach“ und fotografieren die Flüssigkristalle (LC) eines LCD-Monitors, die liegen schön in der Ebene, leuchten von selbst und sind im Büro vor Wind geschützt. Wir müssen nur noch einen Zeitpunkt wählen, wo keiner im Haus herumtrampelt, zum Beispiel früh um 2 …

Tandem: Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv

Zunächst erzeugen wir uns in Word farbige Flächen. Danach schrauben wir das Zeiss Pancolar retro auf das Sony Tele und setzen 62mm Zwischenringe zwischen Tele und Kamera, welche dann 36 cm Optik zu tragen hat. Bzw. richtig ist, das Objektiv trägt die Kamera, denn es wird mittels Stativschelle auf den X-Y-Makroschlitten gesetzt und dieser auf das Stativ. Danach wird alles so ausgerichtet, dass die optische Achse senkrecht zur Monitoroberfläche ist und der Abstand zwischen Objektiv und Monitoroberfläche ca.30mm beträgt.

Als Blende wählen wir 5.6, um möglichst nahe an Outdoor-Bedingungen zu bleiben (beim selbstleuchtenden Bildschirm wäre auch Blende 16 möglich, was höhere Tiefenschärfe ergeben würde). ISO wählen wir ebenfalls praxisnah mit 3200. Daraus ergibt sich eine Belichtungszeit von 1/30 … 1/60 s, was aufgrund der Stativverwendung auch bei längeren Belichtungszeiten kein Problem darstellen würde. Die mit 1.8 große Offenblende des Zeiss Pancolar stellt sicher, dass die gesamte Fläche des Fotosensors genutzt werden kann.

Kamera einschalten! Das Nachausrichten geht hier (ha ha) erstmal einfach, da der Bildschirm verrückbar ist. In der Praxis muss das Stativ gerückt werden …
Die Feineinstellung erfolgt über die Spindeln des Makroschlittens, was Geduld und Feingefühl, da der „Scharf“-Fokus innerhalb von ca.30µm zu finden ist.

Näherungsformel für APS-C:  ST = 0,4mm * (v*v + v) * k/10
mit v = Vergrößerungsfaktor (hier ca. 1/9=0,11), k= Blende (hier 5.6), ST = Schärfentiefe (hier somit ca. 30µm)

Scharf gestellt, kann der Fernauslöser betätigt werden. Jede Berührung der Kamera oder des Objektes hätte das Foto unbrauchbar gemacht!

Abbildungsmaßstab, Fokus, Schärfentiefe und Störeinflüsse

Klick! Die weiße Fläche wird durch 3 additive Farben erzeugt, Rot, Grün und Blau. Das ist dar sogenannte RGB-Farbraum, der genutzt wird, wenn die Farben selbst leuchten, also Licht aussenden. Anmerkung: Bei Farben, die fremdes Licht reflektieren, wäre es der CMYK-Farbraum (Cyan, Magenta, Yellow und Black, weil C+M+Y nur dunkler Grau ergäbe, anders als bei RGB, wo es wirklich Schwarz wird, wenn nichts mehr leuchtet. Wir haben hier RGB!

Die drei Farben werden durch kleine LC‘s (Liquid Crystal) erzeugt, die im Hintergrund erzeugtes Licht nur in einer Wellenlänge passieren lassen. Bei meinem DELL P2319H Monitor hat ein RGB-Block inkl. des Anteils des schwarzen Zwischenbereiches die Abmessungen von 265×265 µm (Monitorbreite: 50,92cm / 1920 Pixel = 265 µm, Monitorhöhe: 28,64cm / 1080 Pixel = 265 µm). Bei anderen Monitoren können es andere Maße sein.

In der Breite sind ca. 9,15 RGB-Blöcke (jeder Block ist ein Bildpunkt) dargestellt. Somit sind auf dem APS-C Fotosensor (Breite 22,3 mm, Höhe 15,6 mm) enthalten: ca. 915 x 265 µm = ca. 2,4mm. Der Abbildungsmaßstab beträgt demzufolge 22,3mm / 2,4mm = 9,3 oder wie typisch geschrieben wird 9,3 : 1.

Für die 3 Farben Rot, Grün und Blau leuchtet je Block nur der entsprechende LC. Interessant wird es bei Gelb. Hier leuchten Rot und Grün. Im additiven Farbmodell (RGB) gilt also Gelb = Rot + Grün. Ha, bei CMYK würde das Braun ergeben ….

Grau (unten, linkes Foto) bekommt man, indem die für Weiß (rechtes Foto) zuständigen LC einfach schwächer leuchten. Bei Schwarz sind sie dann abgeschaltet.
Was den Fotografen ärgert, das Bild ist einfach nicht richtig scharf zu stellen. Doch das liegt daran, dass am Monitor über den LC noch eine Schutzscheibe montiert ist (sinnvollerweise!). Der Fokus der Kamera wird also durch die Schutzscheibe hindurch auf die LC scharf gestellt. Die Schutzscheibe selbst ist nicht zu sehen, da sie außerhalb des Bereiches von 30µm Schärfentiefe liegt und völlig unscharf ist. Aber sie zerstreut und bricht die von den LC kommenden Lichtstrahlen und serviert dem Objektiv bereits ein unscharfes Bild. Allerdings bildet die Kamera die LC’s in deren richtiger Geometrie ab. Sie sieht also die leuchtenden LC’s, nicht aber die Schutzscheibe.

Ändern wir das einfach, indem wir den Scharf-Fokus auf die Oberfläche der Schutzscheibe einstellen.

Fokus-Korrektur auf die Schutzscheibe

Jetzt empfinden wir das Foto scharf. Die von der Bildoberfläche kommenden Lichtstrahlen werden „sauber“ durch die im Team arbeitenden Objektive auf den Bildsensor projiziert.

Allerdings haben die LC‘s ihre Geometrie „verloren“ und sind wie durch eine Wasserwand nur noch schemenhaft erkennbar. Die rechts abgebildete Vergrößerung des linken Fotos enthält einen Ausschnitt ca. 500 x 300 µm und zeigt recht gut, dass die Oberfläche der Schutzscheibe wie eine Kraterlandschaft aussieht, wobei die „Krater“ im Schnitt einen Durchmesser von ca. 20µm haben. Durch die Unebenheiten wird das Licht der LC gebrochen und zerstreut. Teilweise mischt es sich zwischen Rot und Grün schon zu … ja, Sie wissen es: über Orange hin zu Gelb.

Ok, der RGB-Farbraum, produziert durch aktiv leuchtende Flüssigkristalle eines PC-Monitors, war nur ein Test, wie weit man mit einem Teleobjektiv und einem daran montierten Retroobjektiv eine Sache auflösen kann. Immerhin kann man Objekte bis unter 100 µm Größe darstellen und das ist weniger, als ein Haar dick ist.

Was kann man mittels Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv nun in der Praxis anfangen?
Wir werden es Draußen erfahren ….

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