Wolllaus-Makro? Eigentlich wollte ich nur die Wollläuse von den Zimmerpflanzen absammeln, doch dann bot sich eine als Fotomodell an …
Können diese Augen lügen?
Na ja, lügen können sie wohl nicht. Wollläuse suchen nur nach Eiablagestellen und nach dem Phloem. Ein Phloem ist das System, wodurch die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt werden. Und das tut der Pflanze leider gar nicht gut, sie leidet im Wachstum und kann sogar verdorren. Und der von den Wollläusen abgesonderte Honigtau tut der Pflanze und dem Boden ebenfalls nicht gut, da er Schimmelpilze fördert.
Die Wollläuse haben sich vor einigen Jahren hier „breit gemacht“ und seitdem ringen wir gegeneinander um die Pflanzen. Die Entscheidung für einen von uns beiden ist nicht in Sicht. Und die Marienkäfer sind leider ob ihrer geringen Anzahl auch keine nennenswerte Unterstützung. So verliere ich von Zeit zu Zeit eine Pflanze, wenn ich zu lange mit dem Absammeln der Läuse und deren mit Wolle umhüllten Eiablagen warte und somit mehreren Generationen pro Jahr zum Nachwuchs verhelfe. Gelegentlich verlieren aber auch die Schildläuse, nämlich ihre Existenzgrundlage und eben auch sich selbst. Es ist wie in der Natur ein ständiges miteinander ringen, ein natürliches Gleichgewicht könnte man sagen. Trotzdem, ich möchte gewinnen …
Also, wieder einmal Wollläuse absammeln! Heute aber zögerte ich kurz, als mir eines dieser winzigen Geschöpfe an einem Trieb meiner Sizilianischen Mittgasblume begegnete. Aha, dachte ich, du bist das willkommene Fotomodell, das ich zur Abschreckung ins Netz stellen werde. Zudem bist du mit 2 mm Größe das ideale Objekt, ein wenig im Bereich der Extrem-Makrofotografie zu schwelgen, also dem Bereich mit Abbildungsmaßstäben größer 1:1. Dich, Wolllaus, mache ich größer, als du bist. Als Steckbrief!
Und auf geht’s zur Porträtaufnahme, einem Wolllaus-Makro!
Wolllaus-Makro im Bereich der Extrem-Makrofotografie
Die Wolllaus ist träge und lässt sich gut vermessen: Länge 2,2 mm. Bei dieser Gegenstandsgröße und 22 mm Breite des APS-C Fotosensors der Sony A-6000 sind Abbildungsmaßstäbe zwischen 1:1 und 10:1 erforderlich, damit die Wolllaus mit ihren Details gut auf dem Foto zu erkennen ist. Verwendung finden ein Sony-Teleobjektiv mit 300 mm Brennweite, Zwischenringe zwischen Teleobjektiv und Kamera sowie ein Zeiss Objektiv mit 50 mm Festbrennweite in Retrostellung, vorn am Teleobjektiv montiert. Die Kamera wird über eine Objektivschelle an einem vertikal positionierten Makroschlitten montiert. der Makroschlitten selbst ist an einem Querstab im Unterbau eines Stativs befestigt. Zwei LED-Lampen setzen die auf einem Messer hockende Wolllaus in’s richtige Licht.
Die grobe Höhenjustierung erfolgt über die Teleskopstäbe des Stativs, die Feinjustierung über den Makroschlitten. Bei einer zu erwartenden Schärfentiefe von ca. 30 bis 100 µm ist dies ein kleines Geduldsspiel. Zum Glück sitzt die Wolllaus teilnahmslos auf dem Messergriff und wartet. Um möglichst „viel“ Tiefenschärfe zu bekommen wird eine hohe Blendenzahl gewählt (18). Und da mit einer (wenn auch trägen) Bewegung der Wolllaus zu rechnen, ja sogar zu hoffen, ist, wird die Belichtungszeit mit 1/25 s nicht zu lang gewählt und die Empfindlichkeit auf ISO4000 gestellt. Die Brennweite des Teleobjektivs wird zunächst auf das Minimum von 70 mm gestellt, wodurch der Abbildungsmaßstab etwa 4:1 beträgt. Die Wolllaus wird auf dem Fotosensor also auf eine Länge von etwa 9 mm vergrößert.
Wow, es kann losgehen, verehrte Wolllaus!
Warten, warten, warten. Doch irgendwann setzt sich die Wolllaus gemächlich in Bewegung und klettert am Messergriff und an der Messerschneide herum. Gelegentlich muss der Fokus sehr, sehr feinfühlig nachgestellt werden, da die Schärfentiefe nur etwa 250 µm beträgt. Die Wolllaus spielt mit und klettert emsig, aber gemächlich herum. Sobald sie eine fotogene Situation liefert, wird ein Foto gemacht, insgesamt so an die hundert Stück in etwa einer Stunde.
Dann geht es näher ran. Das Teleobjektiv wird auf 300 mm Brennweite gestellt, der Stativauszug angepasst und der Makroschlitten neu positioniert. Jetzt haben wir einen Abbildungsmaßstab von 12:1, und befinden uns bereits im Grenzbereich der Mikrofotografie. Die Schärfentiefe beträgt nur noch weniger als 10µm, was ein Nachstellen kaum noch zulässt. Der Fokus muss vorhersehend eingestellt werden und dann heißt es hoffen, dass die Wolllaus da auch vorbeikommt. Nur das Messer samt Wolllaus lässt sich immer wieder unter dem Objektiv neu ausrichten. Doch, jede noch so geringe Bewegung von Fußboden, Tisch, Stativ, jeder kleine Luftzug lässt das Bild auf dem Kameradisplay erdbebenartig schwanken. Bei jeder Aufnahme muss ich absolut still stehen, wenig atmen und per Fernbedienung die Kamera auslösen. Aufnahmen gelingen nur, wenn die Wolllaus ihre weiterhin träge Bewegung anhält und dabei zufällig eine fotogene Position bietet. Es ist ein Geduldspiel von wieder etwa einer Stunde, bis 10 Aufnahmen gespeichert sind. Ende der Vorstellung!
Es folgt die Auswahl der Fotos und ein wenig Nachbearbeitung, damit die Bilder der Familie präsentiert werden können.
Und dann das: Die Wolllaus mit ihren ca. 25 µm kleinen Augen hat das Rennen für sich gewonnen. „So süß!“ tönt das Urteil. Kein Steckbrief! Das Wolllaus-Makro ist ein „Schuss nach hinten“ geworden. Jetzt werde ich mir bei jedem Absammeln der Wollläuse von den Pflanzen anhören müssen, was das für süße Tierchen sind ….
Weiterführende Informationsquellen:
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Informationen zur Wolllaus, hydrokultur-design.de
Informationen zur Wolllaus, greunteam-versand