Extrem-Makrofotografie / Teil 1

von | Sonntag, 6. Februar 2022 | Foto-Talk | 0 Kommentare

Fotos, auf denen das Motiv nah dargestellt ist, können unterteilt werden in Detailfotografie, Standard-Makrofotografie, Extrem-Makrofotografie und Mikrofotografie. Unterteilungsmerkmal dabei ist der Abbildungsmaßstab, also das Größenverhältnis der Abbildung auf dem Fotosensor zum fotografierten Objekt. Detailfotografie liefert Abbildungsmaßstäbe bis maximal 1:10, wobei die Abbildung auf dem Fotosensor maximal 1/10 der Größe des fotografierten Objektes hat. Standard-Makrofotografie liefert Abbildungsmaßstäbe bis maximal 1:1, also maximal gleiche Größe der Abbildung auf dem Sensor und den fotografierten Objekt. Extrem-Makrofotografie erzeugt Abbildungsmaßstäbe größer 1:1 bis etwa 10:1, wobei das Abbild auf dem Fotosensor größer ist, als das fotografierte Objekt, und Mikrofotografie nutzt Abbildungsmaßstäbe größer 10:1 bis z.B. 60:1.

Diese Einteilung ist nicht verbindlich, die DIN19040 wurde schon vor etlichen Jahren zurückgezogen, und verschiedene Fotografen nutzen unterschiedliche Definitionen. Das kann die Kommunikation dahingehend erschweren, dass man Technik und Methoden vergleichend diskutiert, die aber von unterschiedlichen Anwendungen stammen, in denen andere Aspekte eher wichtig oder eher unwichtig sind. So hat die hyperfokale Distanz, die in der Detailfotografie ein Arbeitsmittel sein kann, in der Makrofotografie wohl keine Praxisrelevanz. Autofokus und Objektivstabilisator können in der Standard-Makrofotografie sehr hilfreich sein, wie z.B. beim Fotografieren eines Schmetterlings im Flug. Stative und Makroschlitten sind eher oft hinderlich, währen sie in der Extrem-Makrofotografie oft unverzichtbar sind. Extrem-Makroaufnahmen können durchaus ohne Fokus-Stacking erzeugt werden und das Spiel von Schärfe und Unschärfe zur Wirkung bringen. In der Mikrofotografie hingegen ist Fokus-Stacking DIE Methode und kann Hunderte Aufnahmen zur Erzeugung eines einzigen Fotos erfordern, wobei automatische Makroschlitten zur Anwendung kommen. Dagegen können in der Extrem-Makrofotografie manuelle Makroschlitten und Stative hilfreiche Unterstützung geben. Möchte man also mit jemandem in Erfahrungsaustausch treten, dann hilft es, zu wissen, in welchem Bereich Erfahrungen vorliegen. Schließlich sucht man ja auch einen Maschinendynamiker, wenn man zum Schwingungsverhalten einer Maschine einen Diskussionspartner sucht und keinen Bauwerkdynamiker …

Ein mit dem Abbildungsmaßstab im Zusammenhang stehendes Unterscheidungsmerkmal der Bereiche, wenn nicht sogar DAS Merkmal, ist die auf dem Foto erreichbare Schärfentiefe, also der Bereich in dem die Objekte scharf abgebildet werden. Außerhalb des Schärfentiefebereichs erscheinen die Objekte zunehmend unscharf.

 

Das Diagramm zeigt die Abhängigkeit der Schärfentiefen vom Abbildungsmaßstab und der Blendenzahl für eine Crop-Kamera mit APS-C Fotosensor. Die eng beieinander liegenden Kurven für Blendenzahl 2.8 bis Blendenzahl 22 kreuzen den Abbildungsmaßstab 1:10 bei einer Schärfentiefe von 10 mm (für Blende 2.8) und 100 mm (für Blende 22) und den Abbildungsmaßstab 10:1 bei einer Schärfentiefe 10 µm (für Blende 2.8) und 100 µm (für Blende 22).

Beim Abbildungsmaßstab 1:1 beträgt die Schärfentiefe etwa 0,2 mm (Blende 2.8) bis 1,8 mm (Blende 22). Das ist auch etwa die Obergrenze des Bereiches für den Abbildungsmaßstab, wo mit Abblenden die Schärfentiefe noch signifikant vergrößert werden kann, was auch typische Empfehlung für diesen Standard-Makrobereich, für den auch die Standard-Makroobjektive erhältlich sind (z.B. Sony FE 2.8/90G bis 1:1). Oberhalb dieser Grenze wird der Schärfentiefebereich zunehmend so klein, dass auch mit Abblenden kein signifikanter Gewinn an Schärfentiefe erreichbar ist und das Fokussieren zunehmen schwerer fällt und den Einsatz von Stativ und manuellem Makroschlitten erfordert. Zudem sind für den Extrem-Makrobereich nur noch wenige Makroobjektive handelsüblich erhältlich (z.B. LAOWA Supermakro bis 2:1 und LAOWA Ultramakro 2,5:1 bis 5:1). Alternativen für den Extrem-Makrobereich ist das Einsetzen von Zwischenringen zwischen Standard-Makroobjektiv und Kamera oder das Verwenden von Nahlinsen (Achromate) mit Standard-Objektiven oder das  Verwenden von Retroobjektiven einzeln oder in Kombination mit einen Standard-Objektiv.

In diesem Artikel findet das Standard-Makroobjektiv (mit Abbildungsmaßstab 1:1) in Verbindung mit 62 mm Zwischenringen Verwendung. Schauen wir und das an!

 

Die Fotos oben zeigen kleine Blatttriebe an den Abzweigen der großen Blätter einer Basilikumpflanze. Die Größe eines Blättchens beträgt ca. 1,8 mm. Auf dem Fotosensor wird es in der Größe von etwa 5,2 mm abgebildet, wodurch ein Abbildungsmaßstab von knapp 3:1 entsteht. Die Fotos gehören somit in den Bereich der Extrem-Makrofotografie.

Ein Problem der Mikrofotografie ist die extrem geringe erreichbare Tiefenschärfe. Bei einem Abbildungsmaßstab von 3:1 beträgt diese nur ca. 0,6mm. Der Fokus muss deshalb auf das wichtigste Bildelement gelegt werden, damit dieses scharf abgebildet werden kann. Alle Bereiche außerhalb dieser (hier) 0,6mm sind mehr oder weniger unscharf. Allerdings kann Unschärfe auch ein interessantes Bild ergeben. Hier geschieht dies, indem Stiele und Blätter zu weichen Grüntönen zerfließen und ein schönes Ambiente für die zarten Blatttriebe ergeben.

Wenn man eine größere Tiefenschärfe erreichen will, kann die Stacking-Methode angewendet werden, wobei mehrere Fotos der in Richtung des Motivs schrittweise leicht verschobenen Kamera durch ein Bildbearbeitungsprogramm so verrechnet werden, dass die scharfen Bereiche jedes Bildes in das finale Bild übernommen werden. Diese Methode liefert aber auch Bereiche, wo die Verrechnung nicht optimal funktioniert und wurde hier nicht angewendet, auch um das Foto in seiner Weichheit zu belassen.

 

Um einen Abbildungsmaßstab von 3:1 mit üblicher Fotoausrüstung zu erreichen, muss zusätzlich zu einem guten Objektiv (Telemakro-Objektiv mit maximal ca. 1:2 oder Makro-Objektiv mit maximal 1:1) eine Verschiebung des Fokusbereiches in den Nahbereich erfolgen, wobei Zwischenringe zwischen Objektiv und Kamera geschraubt oder eine Vergrößerung der Brechzahl durch vor das Objektiv gesetzte Nahlinsen realisiert wird. Nahlinsen setze ich aber nur bei Objektiven mit Brennweite ca. 16 bis 50 mm zusätzlich zu Zwischenringen ein. Für Telemakro- und Makro-Objektive verwende ich vorzugsweise nur Zwischenringe. Hier wurde ein Sony FE 2.8/90 G mit einer festen Brennweite von 90mm und 4 Zwischenringen mit insgesamt 62mm eingesetzt. Da ein gutes Fokussieren und Ruhighalten der Kamera bei derartiger Vergrößerung kaum möglich ist, setze ich ein Stativ und einen Makroschlitten ein. Mit dem Makroschlitten wird die vorab fokussierte Kamera feinfühlig in Richtung des Objektes so lange verschoben, bis der Fokus scharf auf das interessierende Bildelement eingestellt ist. Der Verstellweg beträgt dabei wenige 1/10 Millimeter. Das Auslösen der Kamera erfolgt über Fernbedienung, weil selbst kleinste Erschütterungen an Kamera, Stativ, Tisch, Fußboden oder ein Windzug am Objekt (eigener Atem!) das Foto unbrauchbar machen.

Der Abbildungsmaßstab 3:1 ist die maximale Vergrößerung, die ich mit Standard-Fotoausrüstung erreichen kann. Größere Abbildungsmaßstäbe können mit Supermakroobjektiven (bist 5:1) oder durch Anwendung von Retroobjektiven erreicht werden.

 

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