Rückschläge

Rückschläge

Ihr sollt lernen, Schläge einzustecken und zu verdauen.
Sonst seid ihr bei der ersten Ohrfeige, die euch das Leben versetzt, groggy.
Denn das Leben hat eine verteufelt große Handschuhnummer, Herrschaften!

(Erich Kästner)

Herz aus Eis

Eigentlich war es schon Frühling, die Temperaturen hatten schon über 20°C erreicht.
9 Zitrusbäume (gezüchtet aus Kernen), 1 kanarische Palme (ebenfalls gezüchtet aus einem Kern) und 1 Olivenstrauch standen bereits im Freien, 4 Blumenkästen waren schon mit Erde gefüllt und Samen harrten darin der Keimung.
3 Sizilianische Mittagsblumen bemühten sich aus hängenden Blumentöpfen herauszuwachsen, 2 alte kräftige Geranien mühten sich kurzgeschnitten um neue Triebe, 2 Clematis hatten den Winter mit reichlich grünen Blättchen hinter sich gelassen, 3 kleine Dattelpalmen wollten nun endlich groß werden, 10 Zitrusbaumplänzchen gewöhnten sich langsam an die Frühlingssonne,
Und da passierte es, der Winter kam zurück. Am Dachfenster prangte – das Herz aus Eis.

Aus war es mit den Frühlingsgefühlen.
Alles retour in den frostgeschützten Kellerdurchgang. Da stehen sie nun wieder dort, wo sie die dunkle Jahreszeit verbrachten und müssen den Rückschlag wohl erst einmal hinnehmen. Doch Schaden haben sie nicht genommen. Gefreut hat es die beiden großen kanarischen Aloa vera, die sonst bis zu den Eisheiligen da unten einsam zurückgeblieben wären, denn sie hätten nicht einer Stunde Frost trotzen können.

Nicht so einfach gestaltete es sich für die Natur, die sich nicht nochmal ins Winterquartier zurückziehen konnte.
Doch sie kam mit der Ohrfeige gut zurecht, wie unten zu sehen ist:

Die Mutige im Eis

Eigentlich sollte es grün sein, doch jetzt ist es weiß,
konstatierte die kleine Blüte.
Da machen wir es einfach einfach lila in meinem Wirkungskreis,
Aber bei sooo viel Schnee,
resignierte sie müde,
wird es anstrengend mit der lila Telepathee …

Die Schöne im Eis

Ihr bedeckt mich mit Eis,
wollt entzieh’n mich dem Blicke?
Doch nein, nach meinem Geheiß
ist das die neue Frühlingsperücke!
Und tropfet sie nun dahin
ist dies mein Zusatzgewinn.

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Zitat von Erich Kästner

 

Wasser-Noten

Wasser-Noten

„Das Wunderbare ist ja, dass das Denken immer so schön getriggert wird und dann über das Foto hinausweist.“,
schrieb mir vor Kurzem eine liebe Freundin. Und ich denke, das stimmt.  

Bild oben fotografiert von Kjartan Kühnert, 9 Jahre   

Krebse im Februar

„Es gibt Krebse“, sagte unser Jüngster. „Nee“, sagte ich, jetzt noch nicht, es ist Februar. „Doch“, beharrte er, was mich nachdenklich machte. Wenn er stur ist, gibt es meistens einen Grund. Also hinaus mit Kescher und Kamera, um zu prüfen wer hat recht hat. Und falls doch Krebse da sind, kann man ja auch gleich ein schönes Foto machen. Gesagt getan, und wer hatte recht? Ich nicht … 😂.
Es sind Bachflohkrebse! Punkt eins wäre somit geklärt.

Bachflohkrebse in Aktion fotografieren

Blieb Punkt zwei, ein Foto machen, aber wie? So ein Knilch ist jetzt etwa 5-10 mm klein und zappelt und flitz so schnell herum, dass Fotografieren vor Ort keine Chance hat. Wir waren uns einig, dass wir den Bachflohkrebs lebendig fotografieren und belassen wollen. Also nochmal hinaus mit Kescher, Eimern, und Schöpfgefäß. Die Tierchen sitzen so zahlreich unter dem angeschwemmten, verrottenden Laub, dass ein einziger vorsichtiger Keschereinsatz ausreichend war, um ausreichend viele Exemplare in unsere mit Bach-Wasser und Bach-Kies gefüllten Eimer und diese nach Hause zu befördern. Flugs hatten wir aus einer Glas-Vase ein Aquarium eingerichtet und unsere Fotomodelle einquartiert. Sofort begann ein wildes Treiben. Die Männchen jagten den Weibchen nach, um diese bis zur erwarteten baldigen Häutung (denn nur kurz nach dieser ist die Paarung möglich) nicht mehr aus den Armen (bzw. Beinen) zu lassen (Präkopula) und zu zweit wild im Wasser herumzuwirbeln .. Wer dabei zu spät kam, ja, der kam zu spät …

Maskiert im Wasser

„Da ist noch etwas, was sich im Eimer bewegt“ hörte ich aufgeregt rufen. Und tatsächlich zuckelte ein längeres „Steinchen“ am Grund des Eimers im Wasser herum. Mit Vorsicht ebenfalls ins Aquarium umgesetzt, kam Leben in das Steinchen, oder besser, kam Leben aus dem Steinchen heraus. Aus winzigen Sandkörnern (Größe kleiner 0,5 mm) hatte sich eine Maskenköcherfliegenlarve ihr Haus gebaut, mit dem sie nun das Terrain erkundete. Gewöhnlich ernährt sie sich ja genau auf die gleiche Art, wie die Bachflohkrebse von im Wasser verrottenden Blättern, aber irgendwie sah es aus, als ob sie doch ein wenig mit Krebseiweiß liebäugelte. Und mit dem Blick durch den Kamerasucher war uns dann auch klar, woher ihr Name stammte. Scheinbar hatte sie eine Maske aufgesetzt. Ok, das kannten wir ja.

Getriggerte Neugier

Nachdem unsere kurzzeitigen Besucher wieder am angestammten Ort das Abarbeiten der Blätter fortsetzen konnten, kam die Neugier, mit wem wir es zu tun gehabt hatten, denn die oben schon genannten Namen kannten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Beim Googeln fanden sich nicht nur die Bilder und Beschreibungen des Bachflohkrebses [1][3][4] und der Maskenköcherfliege [2][4], es fand sich auch die Bedeutung dieser Wassertierchen, nicht nur für die Artenvielfalt und das Biotop, sondern auch für uns Menschen. Beide sind sogenannte ‚Bioindikatoren‘ [5], also ‚Zeigertiere‘ [6], die durch ihre Anwesenheit einen Rückschluss auf den Zustand bestimmter Umweltbereiche ermöglichen und in unserem Fall ganz speziell ‚Makrozoobenthos‘, also noch mit dem Auge erkennbare Lebewesen für die Bestimmung der biologischen Wassergüte von Fließgewässern mittels Saprobiensystem [8]. Interessant, denn die Stelle, an der wir die Zeigertierchen entnommen hatten, das ist unser Quellbach, sichtbar sauber. Aber wie ist die Wassergüte?

Wasser-Noten

Beim Saprobiensystem zur Ermittlung der biologischen Wasserqualität von Fließgewässern werden „im Gewässer aufgefundene Lebewesen … als Bioindikatoren für die Belastung … durch abbaubare organische Substanzen verwendet, dies wird als seine Saprobie bezeichnet. Den verschiedenen erfassten Organismenarten, auch Saprobier oder Saprobien genannt, wird … dabei jeweils ein artspezifischer Indikatorwert beigemessen, der, unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Häufigkeit, die Berechnung eines sogenannten Saprobienindex erlaubt, dem jeweils eine Gewässergüteklasse zugeordnet ist. … Dazu werden zwei unabhängige Listen von Saprobien verwendet. Und in einer der beiden „… sind makroskopisch erkennbare, bodenlebende Wirbellose…, z. B. Insektenlarven (wie Steinfliegenlarven, Eintagsfliegenlarven, Köcherfliegenlarven), Krebstiere (wie Asseln und Flohkrebse), Schnecken, Muscheln, Egel und einige Ringelwürmer, aufgeführt; diese werden als Makrozoobenthos (Anm: [7]) zusammengefasst.“ Es gibt sogar eine DIN-Norm dafür. Im Ergebnis bekommt das Fließgewässer eine Gütenklasse zwischen 1 und 4 (1 = unbelastet, 2 = mäßig belastet, 3 =stark verschmutzt, 4 = übermäßig verschmutzt.) [8]

Unser Quellbach

OK, das Verfahren zur Bestimmung der Wassergüte ist etwas komplexer [9][13], und wir können aus unserem im Aquarium gelandeten Kescherinhalt nicht so einfach einen Gütewert bestimmen. Im Anhang stehen ein paar Links, wie man es praktisch macht, z.B. im Rahmen des Schulunterrichtes. Aber wenigstens wollten wir wissen, mit welchem Indikatorwert unsere beiden Tierchen zum Güteindex beigetragen hätten. Da uns die DIN nicht vorliegt, haben wir gegoogelt und gefunden: Bachflohkrebs 2,0 [10] bzw. 1,3 [11] und Köcherfliegenlarve 1,5 [10] [12]. Es sieht nicht schlecht aus, sowohl Bachflohkrebs als auch Köcherfliegenlarve weisen auf eine Wassergüteklasse zwischen 1 und 2 hin, also ‚gering belastet‘. Aber so richtig gut ist das nun auch wieder nicht für einen Quellbach, der unserer Meinung nach unbelastet sein sollte. Und schon wieder triggert es: Woran mag es liegen, dass ein Quellbach nicht mehr ein Quellbach ist …

Ja, Fotografieren triggert das Denken.

 

 

Fotoequipment

ILC-6000, Sony FE 2.8/90 Macro G, Zwischenringe 62mm, OSS, freihändig

Weiterführende Informationsquellen:
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Zeigertiere

[1] Bachflohkrebs, Wikipedia

[2] Köcherfliegen, Wikipedia

[3] Bachflohkrebs, pronatura

[4] Bachflohkrebs (S.4), Maskenköcherfliege (S.7), Arbeitskreis Umwelterziehung am staatlichen Schulamt Dachau 

Biologische Wassergütebestimmung

[5] Bioindikator, Wikipedia

[6] Zeigerart, Wikipedia

[7] Makrozoobenthos, Wikipedia

[8] Saprobiensystem, Wikipedia

[9] Bioindikation Wassergüte, Expedition Dorfbach Naturama Aargau 2009

[10] Saprobienindex Bachflohkrebs (s.16), Maskenköcherfliege (S.24), Natur- und Umweltschutz-Akademie des Landes NRW

[11] Saprobienindex Bachflohkrebs, Wikipedia

[12] Saprobienindex Köcherfliege, Wikipedia

Wolllaus – ein Makromodell

Wolllaus – ein Makromodell

Wolllaus-Makro? Eigentlich wollte ich nur die Wollläuse von den Zimmerpflanzen absammeln, doch dann bot sich eine als Fotomodell an …

Können diese Augen lügen?

Na ja, lügen können sie wohl nicht. Wollläuse suchen nur nach Eiablagestellen und nach dem Phloem. Ein Phloem ist das System, wodurch die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt werden. Und das tut der Pflanze leider gar nicht gut, sie leidet im Wachstum und kann sogar verdorren. Und der von den Wollläusen abgesonderte Honigtau tut der Pflanze und dem Boden ebenfalls nicht gut, da er Schimmelpilze fördert.
Die Wollläuse haben sich vor einigen Jahren hier „breit gemacht“ und seitdem ringen wir gegeneinander um die Pflanzen. Die Entscheidung für einen von uns beiden ist nicht in Sicht. Und die Marienkäfer sind leider ob ihrer geringen Anzahl auch keine nennenswerte Unterstützung. So verliere ich von Zeit zu Zeit eine Pflanze, wenn ich zu lange mit dem Absammeln der Läuse und deren mit Wolle umhüllten Eiablagen warte und somit mehreren Generationen pro Jahr zum Nachwuchs verhelfe. Gelegentlich verlieren aber auch die Schildläuse, nämlich ihre Existenzgrundlage und eben auch sich selbst. Es ist wie in der Natur ein ständiges miteinander ringen, ein natürliches Gleichgewicht könnte man sagen. Trotzdem, ich möchte gewinnen …

Also, wieder einmal Wollläuse absammeln! Heute aber zögerte ich kurz, als mir eines dieser winzigen Geschöpfe an einem Trieb meiner Sizilianischen Mittgasblume begegnete. Aha, dachte ich, du bist das willkommene Fotomodell, das ich zur Abschreckung ins Netz stellen werde. Zudem bist du mit 2 mm Größe das ideale Objekt, ein wenig im Bereich der Extrem-Makrofotografie zu schwelgen, also dem Bereich mit Abbildungsmaßstäben größer 1:1. Dich, Wolllaus, mache ich größer, als du bist. Als Steckbrief!

 Und auf geht’s zur Porträtaufnahme, einem Wolllaus-Makro!

Wolllaus-Makro im Bereich der Extrem-Makrofotografie

Die Wolllaus ist träge und lässt sich gut vermessen: Länge 2,2 mm. Bei dieser Gegenstandsgröße und 22 mm Breite des APS-C Fotosensors der Sony A-6000 sind Abbildungsmaßstäbe zwischen 1:1 und 10:1 erforderlich, damit die Wolllaus mit ihren Details gut auf dem Foto zu erkennen ist. Verwendung finden ein Sony-Teleobjektiv mit 300 mm Brennweite, Zwischenringe zwischen Teleobjektiv und Kamera sowie ein Zeiss Objektiv mit 50 mm Festbrennweite in Retrostellung, vorn am Teleobjektiv montiert. Die Kamera wird über eine Objektivschelle an einem vertikal positionierten Makroschlitten montiert. der Makroschlitten selbst ist an einem Querstab im Unterbau eines Stativs befestigt. Zwei LED-Lampen setzen die auf einem Messer hockende Wolllaus in’s richtige Licht.

Die grobe Höhenjustierung erfolgt über die Teleskopstäbe des Stativs, die Feinjustierung über den Makroschlitten. Bei einer zu erwartenden Schärfentiefe von ca. 30 bis 100 µm ist dies ein kleines Geduldsspiel. Zum Glück sitzt die Wolllaus teilnahmslos auf dem Messergriff und wartet. Um möglichst „viel“ Tiefenschärfe zu bekommen wird eine hohe Blendenzahl gewählt (18). Und da mit einer (wenn auch trägen) Bewegung der Wolllaus zu rechnen, ja sogar zu hoffen, ist, wird die Belichtungszeit mit 1/25 s nicht zu lang gewählt und die Empfindlichkeit auf ISO4000 gestellt. Die Brennweite des Teleobjektivs wird zunächst auf das Minimum von 70 mm gestellt, wodurch der Abbildungsmaßstab etwa 4:1 beträgt. Die Wolllaus wird auf dem Fotosensor also auf eine Länge von etwa 9 mm vergrößert.

Wow, es kann losgehen, verehrte Wolllaus!

Warten, warten, warten. Doch irgendwann setzt sich die Wolllaus gemächlich in Bewegung und klettert am Messergriff und an der Messerschneide herum. Gelegentlich muss der Fokus sehr, sehr feinfühlig nachgestellt werden, da die Schärfentiefe nur etwa 250 µm beträgt. Die Wolllaus spielt mit und klettert emsig, aber gemächlich herum. Sobald sie eine fotogene Situation liefert, wird ein Foto gemacht, insgesamt so an die hundert Stück in etwa einer Stunde.

Dann geht es näher ran. Das Teleobjektiv wird auf 300 mm Brennweite gestellt, der Stativauszug angepasst und der Makroschlitten neu positioniert. Jetzt haben wir einen Abbildungsmaßstab von 12:1, und befinden uns bereits im Grenzbereich der Mikrofotografie. Die Schärfentiefe beträgt nur noch weniger als 10µm, was ein Nachstellen kaum noch zulässt. Der Fokus muss vorhersehend eingestellt werden und dann heißt es hoffen, dass die Wolllaus da auch vorbeikommt. Nur das Messer samt Wolllaus lässt sich immer wieder unter dem Objektiv neu ausrichten. Doch, jede noch so geringe Bewegung von Fußboden, Tisch, Stativ, jeder kleine Luftzug lässt das Bild auf dem Kameradisplay erdbebenartig schwanken. Bei jeder Aufnahme muss ich absolut still stehen, wenig atmen und per Fernbedienung die Kamera auslösen. Aufnahmen gelingen nur, wenn die Wolllaus ihre weiterhin träge Bewegung anhält und dabei zufällig eine fotogene Position bietet. Es ist ein Geduldspiel von wieder etwa einer Stunde, bis 10 Aufnahmen gespeichert sind. Ende der Vorstellung!

Es folgt die Auswahl der Fotos und ein wenig Nachbearbeitung, damit die Bilder der Familie präsentiert werden können.

Und dann das: Die Wolllaus mit ihren ca. 25 µm kleinen Augen hat das Rennen für sich gewonnen. „So süß!“ tönt das Urteil. Kein Steckbrief! Das Wolllaus-Makro ist ein „Schuss nach hinten“ geworden. Jetzt werde ich mir bei jedem Absammeln der Wollläuse von den Pflanzen anhören müssen, was das für süße Tierchen sind ….

 

Weiterführende Informationsquellen:
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Schmierläuse, Wikipedia

Informationen zur Wolllaus, hydrokultur-design.de

Informationen zur Wolllaus, greunteam-versand

Schildläuse, iva-magazin

 

Eiskristalle und Wassertropfen

Eiskristalle und Wassertropfen

Eiskristalle und Wassertropfen können unscheinbare Blättchen am Boden in ein kleines Wunderland verwandeln. Fast war der Frühling schon da, die Tage fast an die 15°C warm, doch noch ist es nicht so weit. Nach einer kalten Februarnacht lässt die über dem Hang aufgehende Sonne die mit Eiskristallen übersäte Wiese in einem Glitzerlicht erstrahlen. Und es dauert nicht lange, bis sich aus den Kristallen glasklare Tröpfchen bilden. Falls eine Wildbiene, die vereinzelt schon unterwegs sind, gerade ihren Ausflug beginne, mag sie sich wie Alice im Wunderland fühlen. Doch sie wird dafür wohl kein Auge haben, denn die Zeit dürfte ihr zu knapp dafür sein. Ich dagegen konnte sie mir nehmen und die Fotosaison 2022 beginnen.

Makrofoto 1:3, Blattgröße ca. 40mm, ILCE-6000, Sony FE 2.8/90G, F8, 1/30s, ISO3200, freihändig

Ein feingliedriges Grünes Blatt ist mit unzähligen kleinen Eiskristallen bedeckt. Es sieht aus, als ob diese von der Blattmitte zu den Blatträndern strömen.

 

Eiskristalle und Wassertropfen

Extrem-Makrofotos 3:1, ILCE-6000, Sony FE 2.8/90G, Stativ, Makroschlitten

Foto links:    F18, 1/10s, ISO4000
Kubische kleine Eiskristalle haben sich an den Rändern kleiner grüner Blätter gebildet. Mitten auf dem Blatt ist ein kugelförmiger Tropfen zu sehen, der teilweise noch aus kleinen Eispartikeln besteht.

Foto mitte:  F13, 1/30s, ISO4000
Schwaches Seitenlicht fällt auf ein kleines grünes Blatt, auf dem sich aus den Eiskristallen kleine und große Tropfen gebildet haben, in denen sich Licht und Blatthaare spiegeln und brechen.

Foto rechts: F16, 1/13s, ISO4000
Auf einem stark vergrößerten kleinen Blatt halten zahlreiche nach oben aufgestellte Blatthaare die Tröpfchen vom Abfließen ab.

Sisyphos

Ich habe mich oft gefragt, warum an nach oben gerichteten Blättchen die Tropfen so gut haften und nicht abfließen. Die Fotos zeigen die Antwort: Blatthärchen, die nach oben stehen, halten die Tropfen gefangen. Wenn Sisyphos  das gewusst hätte … 

Weiterführende Informationsquellen:

Sisyphos, Wikipedia

 

Extrem-Makrofotografie / Teil 2

Extrem-Makrofotografie / Teil 2

Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv. Ich widme diesen Beitrag meinen Eltern, denen ich ein wunderbares Sony Teleobjektiv 70/300 verdanke und in memoriam meinen Großeltern, deren aus den 80ern stammendes Objektiv Zeiss Pancolar 1.8/50 immer noch exzellente Dienste tut. Beide Objektive haben in diesem Beitrag als Tandem gemeinsam Anwendung gefunden.

Vergrößerung fast 10 : 1

Ein Abbildungsmaßstab 10:1 ist der Übergang zur Mikrofotografie, die sicherlich eine Domäne der Mikroskope und der Kameras mit Lupen- bzw. Mikroskop-Objektiven und automatischen Makroschlitten in Laboren und Büros. Auf diese Weise entstehen fantastische Aufnahmen aus der Mikrowelt. Mikroskope und automatisierte System, die gegen Wind und Schwingungen anfällig sind und u.U. Stunden für ein Foto benötigen, in die Landschaft zu bringen dürfte dagegen schwieriger sein. Die Landschaft ist die Domäne der Kameras.

Objekte mit einer Größe 4 bis 40 mm kann man ganz gut mit der Standard-Makrofotografie (Abbildungsmaßstab bis 1 :1) fotografieren. Aber was, wenn das Motiv deutlich kleiner ist und der Einsatz von Zwischenringen oder Nahlinsen (bis ca. 3 : 1) auch nicht ausreicht. Kann man noch mehr Vergrößerung erreichen? Ja, man kann. Eine Methode ist der Einsatz von „verkehrt herum“ (retro) montierten Objektiven. Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv. Ein sehr schönes Beispiel ist die Fotografie von Mikrokrebsen auf der Wasseroberfläche.

Prinzipiell lassen sich die höchsten Vergrößerungen erzielen, indem man ein Objektiv mit großer Brennweite mit einem lichtstarken Retroobjektiv kombiniert. Der Vergrößerungsfaktor soll dann etwa das Verhältnis der Brennweiten sein. Im Fall meiner o.g. Objektive wäre da etwa zu erwarten: 300mm/50mm= 6 : 1
Tatsächlich wurde es mehr, nämlich 9,34 : 1 !
Eine fast 10-fache Vergrößerung kann zwar den Mikroskopen keine Konkurrenz machen, aber für den mobilen Einsatz in der Landschaft ist es eine beachtliche Vergrößerung, denn normale Makroobjektive liefern bis etwa 1:1, mit Zwischenringen bis etwa 3:1 und Spurmakroobjektive bis etwa 5:1. Fast 10:1 ist das Doppelte davon und das ist viel.

Allerdings geht mit der hohen Vergrößerung auch ein Problem einher, das man auch von den Mikroskopen kennt, die sehr geringe Schärfentiefe, die im Mikrometerbereich liegt. Es lassen sich also keine runden Stecknadelköpfe fotografieren, sondern nur „platte“ und die Objektivachse muss exakt senkrecht zur Objektebene ausgerichtet sein. Stativ, Makroschlitten und Fernauslöser sind unverzichtbares Zubehör. Minimaler Wind oder minimale Erschütterungen des Untergrundes machen das Unternehmen zunichte. Und die Beleuchtung ist bei dem geringen Arbeitsabstand zwischen Objekt und Objektiv ein extra Problem.

Ungeachtet dessen soll hier die Frage beantwortet werden, was geht und wie geht es. Dementsprechend machen wir es uns zunächst „einfach“ und fotografieren die Flüssigkristalle (LC) eines LCD-Monitors, die liegen schön in der Ebene, leuchten von selbst und sind im Büro vor Wind geschützt. Wir müssen nur noch einen Zeitpunkt wählen, wo keiner im Haus herumtrampelt, zum Beispiel früh um 2 …

Tandem: Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv

Zunächst erzeugen wir uns in Word farbige Flächen. Danach schrauben wir das Zeiss Pancolar retro auf das Sony Tele und setzen 62mm Zwischenringe zwischen Tele und Kamera, welche dann 36 cm Optik zu tragen hat. Bzw. richtig ist, das Objektiv trägt die Kamera, denn es wird mittels Stativschelle auf den X-Y-Makroschlitten gesetzt und dieser auf das Stativ. Danach wird alles so ausgerichtet, dass die optische Achse senkrecht zur Monitoroberfläche ist und der Abstand zwischen Objektiv und Monitoroberfläche ca.30mm beträgt.

Als Blende wählen wir 5.6, um möglichst nahe an Outdoor-Bedingungen zu bleiben (beim selbstleuchtenden Bildschirm wäre auch Blende 16 möglich, was höhere Tiefenschärfe ergeben würde). ISO wählen wir ebenfalls praxisnah mit 3200. Daraus ergibt sich eine Belichtungszeit von 1/30 … 1/60 s, was aufgrund der Stativverwendung auch bei längeren Belichtungszeiten kein Problem darstellen würde. Die mit 1.8 große Offenblende des Zeiss Pancolar stellt sicher, dass die gesamte Fläche des Fotosensors genutzt werden kann.

Kamera einschalten! Das Nachausrichten geht hier (ha ha) erstmal einfach, da der Bildschirm verrückbar ist. In der Praxis muss das Stativ gerückt werden …
Die Feineinstellung erfolgt über die Spindeln des Makroschlittens, was Geduld und Feingefühl, da der „Scharf“-Fokus innerhalb von ca.30µm zu finden ist.

Näherungsformel für APS-C:  ST = 0,4mm * (v*v + v) * k/10
mit v = Vergrößerungsfaktor (hier ca. 1/9=0,11), k= Blende (hier 5.6), ST = Schärfentiefe (hier somit ca. 30µm)

Scharf gestellt, kann der Fernauslöser betätigt werden. Jede Berührung der Kamera oder des Objektes hätte das Foto unbrauchbar gemacht!

Abbildungsmaßstab, Fokus, Schärfentiefe und Störeinflüsse

Klick! Die weiße Fläche wird durch 3 additive Farben erzeugt, Rot, Grün und Blau. Das ist dar sogenannte RGB-Farbraum, der genutzt wird, wenn die Farben selbst leuchten, also Licht aussenden. Anmerkung: Bei Farben, die fremdes Licht reflektieren, wäre es der CMYK-Farbraum (Cyan, Magenta, Yellow und Black, weil C+M+Y nur dunkler Grau ergäbe, anders als bei RGB, wo es wirklich Schwarz wird, wenn nichts mehr leuchtet. Wir haben hier RGB!

Die drei Farben werden durch kleine LC‘s (Liquid Crystal) erzeugt, die im Hintergrund erzeugtes Licht nur in einer Wellenlänge passieren lassen. Bei meinem DELL P2319H Monitor hat ein RGB-Block inkl. des Anteils des schwarzen Zwischenbereiches die Abmessungen von 265×265 µm (Monitorbreite: 50,92cm / 1920 Pixel = 265 µm, Monitorhöhe: 28,64cm / 1080 Pixel = 265 µm). Bei anderen Monitoren können es andere Maße sein.

In der Breite sind ca. 9,15 RGB-Blöcke (jeder Block ist ein Bildpunkt) dargestellt. Somit sind auf dem APS-C Fotosensor (Breite 22,3 mm, Höhe 15,6 mm) enthalten: ca. 915 x 265 µm = ca. 2,4mm. Der Abbildungsmaßstab beträgt demzufolge 22,3mm / 2,4mm = 9,3 oder wie typisch geschrieben wird 9,3 : 1.

Für die 3 Farben Rot, Grün und Blau leuchtet je Block nur der entsprechende LC. Interessant wird es bei Gelb. Hier leuchten Rot und Grün. Im additiven Farbmodell (RGB) gilt also Gelb = Rot + Grün. Ha, bei CMYK würde das Braun ergeben ….

Grau (unten, linkes Foto) bekommt man, indem die für Weiß (rechtes Foto) zuständigen LC einfach schwächer leuchten. Bei Schwarz sind sie dann abgeschaltet.
Was den Fotografen ärgert, das Bild ist einfach nicht richtig scharf zu stellen. Doch das liegt daran, dass am Monitor über den LC noch eine Schutzscheibe montiert ist (sinnvollerweise!). Der Fokus der Kamera wird also durch die Schutzscheibe hindurch auf die LC scharf gestellt. Die Schutzscheibe selbst ist nicht zu sehen, da sie außerhalb des Bereiches von 30µm Schärfentiefe liegt und völlig unscharf ist. Aber sie zerstreut und bricht die von den LC kommenden Lichtstrahlen und serviert dem Objektiv bereits ein unscharfes Bild. Allerdings bildet die Kamera die LC’s in deren richtiger Geometrie ab. Sie sieht also die leuchtenden LC’s, nicht aber die Schutzscheibe.

Ändern wir das einfach, indem wir den Scharf-Fokus auf die Oberfläche der Schutzscheibe einstellen.

Fokus-Korrektur auf die Schutzscheibe

Jetzt empfinden wir das Foto scharf. Die von der Bildoberfläche kommenden Lichtstrahlen werden „sauber“ durch die im Team arbeitenden Objektive auf den Bildsensor projiziert.

Allerdings haben die LC‘s ihre Geometrie „verloren“ und sind wie durch eine Wasserwand nur noch schemenhaft erkennbar. Die rechts abgebildete Vergrößerung des linken Fotos enthält einen Ausschnitt ca. 500 x 300 µm und zeigt recht gut, dass die Oberfläche der Schutzscheibe wie eine Kraterlandschaft aussieht, wobei die „Krater“ im Schnitt einen Durchmesser von ca. 20µm haben. Durch die Unebenheiten wird das Licht der LC gebrochen und zerstreut. Teilweise mischt es sich zwischen Rot und Grün schon zu … ja, Sie wissen es: über Orange hin zu Gelb.

Ok, der RGB-Farbraum, produziert durch aktiv leuchtende Flüssigkristalle eines PC-Monitors, war nur ein Test, wie weit man mit einem Teleobjektiv und einem daran montierten Retroobjektiv eine Sache auflösen kann. Immerhin kann man Objekte bis unter 100 µm Größe darstellen und das ist weniger, als ein Haar dick ist.

Was kann man mittels Extrem-Makrofotografie mit Retroobjektiv nun in der Praxis anfangen?
Wir werden es Draußen erfahren ….